Manolito
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Verfasst am: Fr 25 Nov, 2005 18:06 Titel: Die Geschichte von der Traurigkeit von: mir unbekannt |
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Die Geschichte von der Traurigkeit
Als die glutrote Sonne am Horizont dem Tag langsam entschwinden wollte,
ging eine kleine zerbrechlich wirkende Frau einen staubigen Feldweg entlang.
Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht und ihr L?cheln
hatte den frischen Glanz eines unbek?mmerten M?dchens.
Fast am Ende dieses Weges,
sa? eine zusammengekauerte Gestalt, die regungslos auf den trockenen,
ausged?rrten Sandboden hinunterstarrte.
Man konnte nicht viel erkennen,
das Wesen das dort im Staub des Weges sa?, schien beinahe k?rperlos zu sein.
Es erinnerte an eine graue aber weiche Flanelldecke mit menschlichen Konturen.
Als die kleine zerbrechlich wirkende Frau an diesem Wesen vorbeikam,
b?ckte sie sich ein wenig und fragte:
"Wer bist du?"
Zwei fast regungslose Augen blickten m?de auf.
"Ich? Ich bin die Traurigkeit." fl?sterte die Stimme stockend und so leise,
dass man sie kaum zu h?ren vermochte.
"Ach, die Traurigkeit !" rief die kleine Frau erfreut,
als w?rde sie eine alte Bekannte begr??en.
"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit vorsichtig?
"Aber ja, nat?rlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast Du mich ein St?ck
meines Weges begleitet."
"Ja, aber ...", argw?hnte die Traurigkeit, "warum fl?chtest du dann nicht und nimmst rei? aus?
Hast du denn keine Angst vor mir ?"
"Warum sollte ich vor dir davonlaufen ? Du wei?t doch selbst nur zu gut,
dass du jeden Fl?chtigen einholst. Man kann dir nicht entkommen.
Aber, was ich dich fragen m?chte:
Warum siehst du so betr?bt und mutlos aus ?"
"Ich ... ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit klangloser Stimme.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr.
"Traurig bist Du also", sagte sie und nickte verst?ndnisvoll mit dem Kopf.
"Erz?hl mir doch, was dich so sehr bedr?ckt."
Und die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuh?ren?
Wie oft hatte sie sich das schon gew?nscht.
"Ach, wei?t du", begann die Traurigkeit z?gernd, "es ist so,
dass mich einfach niemand mag. Niemand will mich.
Dabei ist es doch nun mal meine Bestimmung
unter die Menschen zu gehen und f?r eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen.
Aber jedes mal wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zur?ck.
Sie f?rchten sich vor mir und meiden mich."
Die Traurigkeit schluckte schwer.
"Sie haben S?tze erfunden, mit denen sie mich versto?en wollen. Sie sagen:
Ach was, das Leben ist heiter und fangen an zu Lachen.
Aber ihr falsches erzwungenes Lachen
f?hrt zu Magenkr?mpfen. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht.
Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muss sich zusammenrei?en. Und sie sp?ren das Rei?en
in den Schultern und im R?cken, im ganzen K?rper. Verkrampft sind sie.
Sie dr?cken die Tr?nen tief hinunter und haben Atemnot. Sie sagen:
Nur Schw?chlinge weinen. Dabei sprengen
die aufgestauten Tr?nen fast ihre K?pfe. Manchmal k?nnen sie dadurch
nicht mal mehr Sprechen.
Oder aber sie bet?uben sich mit Alkohol und Drogen,
damit sie nicht f?hlen m?ssen."
Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen.
"Und dabei will ich den Menschen doch nichts B?ses, ich will ihnen doch nur helfen.
Denn wenn ich ganz nah bei ihnen bin, k?nnen sie sich selbst begegnen.
Ich helfe ihnen ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen und zu heilen.
Wei?t du, wer traurig ist, hat eine besonders d?nne Haut,
und manches Leid bricht dadurch immer wieder auf,
wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh.
Aber nur wer mich zu sich l?sst und all die ungeweinten Tr?nen weint,
kann seine Wunden erst wirklich heilen.
Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich Ihnen dabei helfe.
Statt dessen schminken sie sich ein grellen Lachen ?ber ihre Narben.
Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit und ewiger Entt?uschung zu.
Ich glaube, sie haben einfach nur unb?ndige Angst zu weinen und mich zu sp?ren.
Deshalb verjagen sie mich immer wieder."
Dann schwieg die Traurigkeit. Ihr Weinen war erst schwach,
dann st?rker und schlie?lich ganz innig und verzweifelt
und die vielen kleinen Tr?nen tr?nkten
den staubigen, ausged?rrten Sandboden.
Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkenen Gestalt tr?stend in die Arme.
Wie weich und sanft sie sich anf?hlt, dachte sie und streichelte das zitternde B?ndel.
"Weine nur, kleine Traurigkeit", fl?sterte sie liebevoll, "ruh dich aus,
damit du wieder Kraft sammeln kannst.
Du sollst nicht mehr alleine wandern. Ich werde auch dich von nun an begleiten,
damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt."
Die Traurigkeit h?rte zu weinen auf.
Sie sah zu ihrer neuen Gef?hrtin auf und betrachtete sie erstaunt:
"Aber ... aber, wer bist du eigentlich ?"
"Ich ...", sagte die kleine und zerbrechlich wirkende Frau und l?chelte dabei
wieder so unbek?mmert wie ein kleines M?dchen, " ... bin die Hoffnung! _________________ Eure Signatur ist für'n Arsch. |
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